Im Rahmen des internationalen Dramatiker*innenfestivals – veranstaltet mit dem DRAMA FORUM von uniT – realisiert das Schauspielhaus Graz einen Schwerpunkt mit fünf Einzelprojekten, der von Intendantin Iris Laufenberg initiiert wurde. Dank der zeitgleich stattfindenden Konferenz der European Theatre Convention können die Fragestellungen des Kulturjahres auch einem internationalen Publikum vorgestellt werden. Auf der Bühne, im öffentlichen Raum und online. Da wäre einmal das Gastspiel des Rimini Protokolls „Uncanny Valley“, in dem Schriftsteller Thomas Melle durch ein Roboter-Double ersetzt wird. Die Menschmaschine auf der Bühne erzählt nach einem Konzept von Stefan Kaegi über das Leben des Autors, über die Entwicklungen der Robotik und über ethische Fragen. Wann ist es für uns akzeptabel, wenn uns ein humanoider Apparat statt eines Menschen gegenübersitzt?
Das Stück „First Black Woman in Space“ von Simone Dede Ayivi entwirft eine feministische Utopie, die Geschichte, Gegenwart und Zukunft von weiblichen People of Color integriert. Die Bühne wird in dieser Online-Aufführung Ort für eine post-rassistische Vision im All. Eine gänzlich andere Perspektive findet man bei Clemens Setz und seinem Stück „Flüstern in stehenden Zügen“. Hier ist ein junger Mann allein zu Hause und kommuniziert per Telefon mit den Mitarbeiter*innen von dubiosen Hotlines, verwickelt sie in Gespräche am Rande der Erträglichkeit. Dann wäre da der Programmpunkt „Future Drama“, der zehn Kurzstücke von Autor*innen in einem Parcours zwischen Klima-Kultur-Pavillon und Heimatsaal bündelt. Von Utopie bis Dystopie sind Hoffnungen, Ängste und Visionen in szenischen Lesungen zu hören. Und – last, but not least – gibt es in Zusammenarbeit mit dem Theater im Bahnhof ein Diskussionsformat unter dem Titel „Reden über morgen“, moderiert von Pia Hierzegger. Zu Gast sind Simone Dede Ayivi sowie die Autorinnen Nava Ebrahimi und Lydia Haider.
Viele verschiedene Sichtweisen auf die Zukunft werden so offengelegt, sagt Nadja Pirringer vom Schauspielhaus: „Man merkt, dieses Thema geht uns alle an und es wird besonders spannend, wenn mehr Menschen dabei mitdenken und mitreden.“ So unterschiedlich wie die Perspektiven und Formate, so divers auch das Publikum und die Reaktionen. Der Roboter in „Uncanny Valley“ löst technische, aber auch moralische Fragen aus. Die Aussagen beim „Reden über morgen“ werden intensiv weiterdiskutiert. Auch Details wie die englischen Untertitel, die bei den meisten Aktivitäten des Festivals vorhanden sind, stoßen auf Resonanz.
Klimawandel in der Gesellschaft Kommen wir zur zentralen Frage des Kulturjahres: Wie wollen Autor*innen, Dramatiker*innen, Schauspieler*innen in einer Stadt wie Graz leben? Nadja Pirringer fasst ihre Eindrücke aus einer intensiven Woche der Diskussionen zusammen: „Was ein starkes Thema war, auch durch den nahe gelegenen Pavillon: Klima und Umwelt. Das hat sehr viele Gespräche ausgelöst rund um die Frage, was in einer Stadt möglich ist. Der andere Punkt für die meisten Künstler*innen: dass man den sozialen Faktor bei der Nachhaltigkeit nicht vernachlässigt. Wer hat welche Chancen in einer Gesellschaft, wie schaffen wir es, dass es hier gerecht zugeht?“ Und Pirringer fügt hinzu: „Wenn man von Künstler*innen verlangt, Utopien zu entwickeln, stößt man zuweilen auf Widerstände, weil es ja auch schnell sehr persönlich wird. Aber es lohnt sich, denn Künstler*innen haben oft ein starkes Sensorium für Aktuelles. Für uns sind die Fragen, die das Kulturjahr aufwirft, auch deswegen sehr spannend, weil es ja auch die Themen sind, die uns als Stadttheater betreffen.“ Und was hat die Co-Leiterin des Dramatiker*innenfestivals über die Zukunft gelernt? „Dass es sehr viele verschiedene Vorstellungen davon gibt. Und dass es spannend ist, wie wir uns auf einen Vorschlag einigen könnten.“