Anita Fuchs beschäftigt sich mit den Spuren des Politischen in der Landschaft. Vor allem Pflanzen, aber auch Tiere oder Pilze sind die Akteur*innen ihrer künstlerischen Forschung, die oft längere Zeiträume umfasst. So entsteht auch „Nature!“, ein Wildpflanzen-Projekt für das Kulturjahr in Kooperation mit Wissenschaftler*innen. 50 speziell ausgewählte heimische Pflanzen werden dafür ausgesät. Ursprünglich hat sie es auf die städtischen Blumenbeete abgesehen, erzählt Fuchs, denn diesbezüglich sei man in Graz im Jahre Schnee hängen geblieben: „Dabei muss man gar nicht in Großstädte schauen, auch am Land gibt es schon andere Ansätze. Die Beete hingegen, wie man sie bei uns am Eisernen Tor oder im Volksgarten sieht, vermitteln kein zeitgemäßes Bild von Stadtbepflanzung.“
Die verantwortliche Abteilung für Grünraum freilich plant längerfristig, schließlich werden für die Bepflanzung Hunderte Stiefmütterchen und Ähnliches herangezogen. Zudem brauchen Wildpflanzen „magere“ Erde, man müsste daher die Beete gewissermaßen „abmagern“. So bekommt Anita Fuchs für ihr Projekt nach vielen Gesprächen, Verschiebungen und Bodenproben ein Stück Rasen vor der Oper. Wobei man hinzufügen sollte, dass sich die Fläche im Laufe der Verhandlungen mehrmals signifikant vergrößert und verkleinert. Und: Die besagte Wiese ist eigentlich die Decke einer Tiefgarage und wurde im Zuge des Umbaus am Kaiser-Josef-Platz zwischenzeitlich asphaltiert, was Proteste auslöste. Ein symbolträchtiger Platz also für Wildwuchs im Zentrum der Stadt.
Die Abteilung für Grünraum ist übrigens sehr aufgeschlossen, sie betreibt selbst die eine oder andere Wildwiese respektive experimentiert damit. Auch die Wiese vor der Oper ist eine „Versuchsfläche“, wie Anita Fuchs sagt. Es gibt Erkenntnisse in Sachen Flora und Fauna, aber genauso in puncto menschlicher Gesellschaft. „Wir haben etwa Marihuana in säuberlich gepflanzten Zeilen gefunden“, erzählt die Künstlerin, „ich habe es entfernt, damit nicht Leute hineinsteigen und dabei die anderen Pflanzen zertreten. Dann hat jemand vollflächig Getreide und Sonnenblumen gesät, das haben wir zu zweit an zwei Tagen wieder herausgeklaubt.“ Und dann war da noch eine Veranstaltung, die dazu führte, dass so ziemlich alles zertrampelt wurde, was bis dahin gewachsen war.
Die neue Biene Auch wenn die Anfangsschwierigkeiten also beträchtlich waren, so ist die Akzeptanz ihres Projektes für Anita Fuchs mittlerweile sehr erfreulich: „Wenn ich auf der Wiese arbeite oder fotografiere, merke ich, wie gut das aufgenommen wird. Nur: Nächstes Jahr wird das Ganze ziemlich hoch gewachsen sein, es wird auch einmal vertrocknen, dann wird man sehen, ob es Proteste gibt oder ob es akzeptiert wird. Ein gewisser ästhetischer Druck lastet ja auf so einem Vorhaben.“
Man merkt Anita Fuchs freilich an, wie sehr sie sich über den Stand der Dinge freut, über die Vielfalt der Pflanzen, die Schmetterlinge. Apropos Tierwelt: Lorenz Gunczy, freier Mitarbeiter des Universalmuseums Joanneum, erforscht, welche Lebewesen die Wiese bevölkern. Schon nach kurzer Zeit hat sich gezeigt, dass auf der wilden Wiese 17-mal so viele Insekten zu finden sind wie am Rasen daneben. Darunter findet sich sogar eine Newcomerin: Die Stängel-Löcherbiene wurde hier das erste Mal in der Steiermark nachgewiesen. Diese und viele andere Erkenntnisse sind in der umfangreichen Projektdokumentation nachzulesen. Evaluiert wird das Vorhaben zwei Jahre lang, reicht also über das Kulturjahr hinaus. Und die Wiese? Sie soll in dieser Form dauerhaft den Platz vor der Oper bereichern.
Anita Fuchs hat im Zuge des Projektes gelernt, sich mit den Gegebenheiten anzufreunden und leise zu agieren: „Mir ist die Öffentlichkeit gar nicht so wichtig, ob das hundertmal gepostet wird oder nicht. Mir ist lieber, es wächst und bewirkt etwas. Und wenn jemand fragt, ob die Anlage einer Wiese ein Kunstprojekt sein kann, sage ich: ‚Ich bin Künstlerin, ich mache Kunst.‘“