Neigungsgruppe O.K. (Martin Behr, Johanna Hierzegger, Markus Wilfling)
5000 DESINFEKTIONSSPRAYS FÜR GRAZ
#Soziales Miteinander
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Sicherheit und Sauberkeit.
Solange der Vorrat reicht.
„Wie wir leben wollen? In jedem Fall: sicher. Machen wir Graz gemeinsam zur sichersten Kulturstadt Österreichs. Jetzt erst recht.“ Diese Antwort auf die zentrale Frage des Kulturjahrs 2020 stammt von der Neigungsgruppe K.O.
Johanna Hierzegger, Martin Behr und Markus Wilfling, alle drei im Kunst- und Kulturbereich keine Unbekannten, verfolgten zur Hebung des kollektiven Sicherheitsgefühls ein ambitioniertes Ziel: 7.000 handgegossene Pfefferspray-Skulpturen aus Beton zu produzieren und diese das ganze Kulturjahr über bei Veranstaltungen kostenlos zu verteilen. Das Motto: „Kunst macht die Stadt sicherer.“
Damit griff die Neigungsgruppe auf ironische Weise ein Thema auf, das rechtsgerichtete Gruppen immer wieder nutzen, indem sie Frauen in der Öffentlichkeit funktionsfähige Pfeffersprays anbieten. Damit soll suggeriert werden, etwas für deren Schutz zu unternehmen. Dazu muss man allerdings wissen, dass solche Sprays nicht umsonst als Waffen gelten. Die von der Neigungsgruppe gewählte Stückzahl war übrigens auch nicht zufällig gewählt, sondern ein Verweis auf die 7.000 Eichen, die Joseph Beuys vor rund 40 Jahren im Rahmen der documenta in Kassel pflanzen ließ.
Nach einem Besuch im Waffenhandel wählten Behr und Hierzegger ein Modell, das auch die Polizei einsetzt. Markus Wilfling fertigte daraus einen Abdruck, der in Serie ging. „Das Thema war damals wirklich virulent“, sagt Martin Behr. Sicherheitszonen in den Parks, eine Ausweitung der Ordnungswache und eine Verstärkung der Polizei, all das wurde im Jahr vor der Pandemie intensiv diskutiert.
Sicher ist sicher
Zur Eröffnung des Kulturjahrs war das Trio startbereit. Die ersten Plakate hingen bereits in der Stadt. Darauf zu sehen: Schauspielerin Pia Hierzegger und der frühere Caritas-Direktor Franz Küberl, die unter dem Motto „Sicher ist sicher“ mit den Pfefferspray-Imitaten posierten. Nach dem verheißungsvollen Auftakt erfolgte im März dann der vorläufige Stopp: Mit dem ersten Lockdown war die Verteilung schwierig bis unmöglich geworden. Und das gerade noch so dominante Thema Sicherheit im öffentlichen Raum schien plötzlich niemanden mehr zu interessieren.
Nach einer Nachdenkpause beschließt die Neigungsgruppe das K.O. zum O.K. zu machen. Aus den Pfeffersprays werden Desinfektionssprays. Schließlich beginnen zu dieser Zeit Destillerien mit der Produktion entsprechender Mittel. Nähereien fertigen Masken. Sich zu verhüllen scheint nun nicht mehr verpönt. Die Zahl der neu produzierten signierten und nummerierten Sprays wird auf 5.000 reduziert. Eine geplante Konferenz im steirischen herbst muss abgesagt werden. Die Beipackzettel, die die Sprays umhüllen, werden erweitert. Der Samtbeutel, in dem die Skulpturen übergeben werden, kann mit geringen Adaptionen zu einer Gesichtsmaske gemacht werden. Einige Wochen lang kann man sich die Sprays auch in der Annenstraße 20 abholen.
„Wie wir in Graz leben wollen? Jedenfalls will ich nicht, dass mir der Eindruck vermittelt wird, wir würden in einer gefährlichen urbanen Hölle leben“, sagt Martin Behr nach dem Abschluss des Projekts. „Klar, wir haben bald 300.000 Einwohner. Es gibt eine gewisse Drogenkriminalität. Aber das ist kein Grund, das übertrieben darzustellen. Das sagen uns auch Polizisten, mit denen wir gesprochen haben.“ Johanna Hierzegger sieht das ähnlich: „Besser leben als hier kann ich mir ja gar nicht vorstellen, mit oder ohne Pandemie. Aber: Es wird heißer werden in Graz. Es gibt zwar viele Problemchen, aber das ist alles nix gegen den Klimawandel.“
Mit dem Ende des Kulturjahrs ist die Verteilung der Sprays nicht abgeschlossen. Die Neigungsgruppe hat einen Automaten organisiert, der weitere Exemplare ausgeben kann. Solange der Vorrat reicht.