Ein gemeinsam genutzter Tisch in der alten Tennenmälzerei auf den Reininghaus-Gründen soll Anrainer*innen, Architektur- und Kulturinteressierte sowie FH-Studierende zusammenbringen. Die markante Mälzerei wurde 1888 errichtet, ihr Innenraum ist durch seinen Aufbau mit drei Schiffen und einer Gewölbedecke mit 48 Pfeilern besonders sehenswert. Eigentümerin des Gebäudes ist die ENW, eine Wohnbaugesellschaft aus dem Ennstal. Neben dem Studiengang Architektur an der FH JOANNEUM ist auch der renommierte Architekt Thomas Pucher im Projektteam, Kooperationen werden darüber hinaus mit Kulturorganisationen wie La Strada, dem Open Lab Reininghaus und mit Unternehmen geknüpft.
Zu Beginn findet ein Wettbewerb unter den Studierenden statt, den Veronika Schafler für sich entscheiden kann. Ihr Tisch ist rund 7 Meter lang und integriert eine aufgespannte Papierrolle. Auf dem Papier kann man bei Besprechungen schreiben oder zeichnen – danach können die Notizen und Skizzen archiviert werden. Letztlich soll daraus ein großes Objekt für die Wände in der Tennenmälzerei werden. Daniel Huber und Daniel Schäfer von Hafen 52, einer Möbelwerkstätte in Reininghaus, adaptieren und realisieren schließlich den „Shared Desk“.
Nach dieser Anfangsphase muss das Vorhaben allerdings deutlich verändert werden. Zuerst kommt es zu den bekannten Lockdowns, dann sind die Bauarbeiten auf dem Gelände so weit fortgeschritten, dass man die Treffen rund um den Tisch vor Ort nicht mehr durchführen kann. „Wir haben zuerst auf Online-Vorträge umgestellt, dann haben wir versucht, mit Leuten aus der Umgebung in Kontakt zu kommen, was über Internet so gut wie unmöglich war“, erzählt Wolfgang Schmied, Leiter des Studiengangs Architektur an der FH JOANNEUM. „Und dann haben wir uns gedacht: Wenn die Menschen nicht zum Tisch kommen können, muss eben der Tisch zu den Menschen kommen.“ Dazu ist es notwendig, den „Shared Desk“ mit einem großen Kran aus der Tennenmälzerei zu heben. Im inklusiven Grazer Restaurant „Das Lorenz“ in der Heinrichstraße, in der Designhalle am Lazarettgürtel im Rahmen des „BeThrifty Kilo Sale“ und an zwei anderen Orten kommt der Tisch zum Einsatz. Es wird rund um ihn herum gegessen und Wein getrunken, diskutiert und geplant. In der Designhalle findet er vorläufig einen fixen Platz als Ausstellungsobjekt, ehe er an die FH JOANNEUM kommt, wo er Arbeitsplatz für die Studierenden wird. Immer noch bringt er Menschen zusammen, wenn auch nicht mehr im ursprünglich vorgesehenen Ambiente.
Preis und Wert Wolfgang Schmied sieht Reininghaus generell als äußerst interessanten Ort an, um zu lernen. Dabei denkt er in erster Linie an seine Studierenden, aber auch über diese Gruppe hinaus. Zugleich sieht er die Entwicklung des Gebiets kritisch. „Das fängt damit an, dass es schon so etwas wie einen sehr spannenden Masterplan gab. Dann ist man aber darangegangen, die Grundstücke an verschiedene Bauträger zu verkaufen, was zu einer Filetierung geführt hat. Es gibt kaum Schnittstellen. Und man muss damit rechnen, dass gegenüber dem eigentlichen Konzept viele Abstriche gemacht werden. Das führt zu räumlichen und baulichen Qualitätsverlusten.“ Neben architektonischen und städtebaulichen Fragen spricht Schmied auch soziale Themen an: „Schauen Sie sich die Preise an, dann sehen Sie die Problematik. Wenn der Quadratmeter 5000 Euro kostet, dann wird das zu einer Segregation führen, die ich sehr bedauerlich finde.“
Die Zukunft von Reininghaus sieht Schmied als weitgehend autarken Bezirk mit einem Großteil der benötigten Infrastruktur bis hin zu Kultureinrichtungen und Schulen. Zugleich sei man mit der Straßenbahn gut angeschlossen und in einer Viertelstunde am Hauptplatz: „Es wird eine neue Kultur entstehen im Zusammenspiel von Peripherie und Zentrum. Wie es funktioniert? Man wird sehen.“